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Die transportable Montierung 900 GTO von Astro Physics

Von Siegfried Bergthal

Dieser Artikel erschien, in abgeänderter Form, in der Fachzeitschrift: Sterne und Weltraum 3/2001 (S. 273 - 275).

Die Fa. Astro Physic, bekannt durch ihre apochromatischen Refraktoren baut seit einigen Jahren auch parallaktische Montierungen. Da in Fachzeitschriften bis heute wenig [1] über diese Montierungen zu lesen war, soll dieser Erfahrungsbericht hier eine Lücke schließen.

Seit ca. einem Jahr habe ich eine 900 GTO Montierung von Astro Physics. Genügend Zeit um Erfahrungen zu sammeln, die ich jetzt an andere Sternfreunde weitergeben möchte.

Beschreibung der Montierung
Die Montierung 900 GTO ist eine deutsche parallaktische Montierung. Das Achsenkreuz wiegt 22 kg. Der 7 kg schwere Deklinationsblock läßt sich zum Transport mit 2 Schrauben (ähnlich einer Schwalbenschwanz-Klemmung) von der RA-Achse entfernen.
Die Achsgehäuse bestehen aus Aluminium. Sämtliche Teile sind entweder Dreh- oder Frästeile. Es finden keine Gussteile Verwendung. Die RA (= Rektaszension)-, DE (= Deklination) - und Gegengewichtsachse sind aus Edelstahl gefertigt. Ebenso sämtliche Schrauben. Die Rektaszensionsachse hat einen Durchmesser von 56 mm, die Deklinationsachse einen von 44 mm. Die RA-Achse ist für die Aufnahme eines Polsuchers durchbohrt. Im Gegensatz zu der klassisch gefertigten deutschen Montierung verfügt die 900 GTO zusätzlich über große Axialdrucklager mit Durchmessern von 17,8 cm (RA) und 15,2 cm (DE). Diese sind auch deutlich in Abb. 1 zu sehen. © Siegfried Bergthal; Abb. 1: Die Montierung 900 GTO von Astro Physics mit Zeiss AS 100/1000
Beide Achsen werden mit Schneckenrädern aus Aluminium angetrieben. Die Anzahl der Zähne beträgt in beiden Achsen 225. Das RA-Schneckenrad hat einen Durchmesser von 18,2 cm, das in DE hat einen Durchmesser von 15,2 cm. Die Schnecken sind aus Messing gefertigt.

Die Klemmung erfolgt sowohl in RA als auch in DE über 4 Druckschrauben. Die Klemmung kann mit Inbusschlüssel beliebig von ganz leicht bis starr eingestellt werden. Der Antrieb der beiden Achsen erfolgt durch Servo-Gleichstrommotoren. In diesem Fall handelt es sich um einen Gleichstrommotor, an dem direkt auf der Motorwelle ein Tachogenerator angeflanscht ist, welcher die Ist-Drehzahl und Drehrichtung misst und an die Steuerung weiterleitet. Es handelt sich hier also um keine simple Steuerung, sondern um einen echten Regelkreis.

© Siegfried Bergthal; Die Montierung 900 GTO von Astro Physics im zerlegten Zustand Für den Aufbau der Montierung und der Säule ist kein Werkzeug notwendig. Die linke Abbildung zeigt alle Einzelteile der Montierung im zerlegten Zustand.

Die Elektronik ist quasi Huckepack auf dem RA-Block montiert. Dort sind auch alle notwendigen elektrischen Anschlüsse herausgeführt:

  • Stromanschluß 12 V DC (= Gleichstrom)
  • Anschluß der Handsteuerbox
  • Anschluß DE-Motor
  • 2 serielle Schnittstellen
  • Anschluß für Fadenkreuzbeleuchtung
  • Fokussiermotor
  • Im Betriebsmodus bietet die Steuerung über folgende Möglichkeiten:

    • Geschwindigkeit für: Sonne, Mond und Sterne.
    • Feinbewegung des Fernrohres mittels den 4 Richtungstasten. 7 Geschwindigkeitsstufen: 0.25 x (Sterne), 0.5 x, 1 x, 12 x, 64 x, 600 x, 1200 x,
    • Automatisches Schwenken des Fernrohres mit den Geschwindigkeiten 600 x, 900 x oder 1200 x,
    • Objektwahl aus verschiedenen Katalogen (NGC, IC, Messier, ADS-Doppelsterne), 200 helle Sterne zum Kalibrieren, Planeten, Sonne und Mond,
    • Direkte Eingabe von RA und DE,
    • Timerfunktion,
    • PEC-Funktion (Periodic error control = Ausgleich des Schneckenfehlers)
    • Getriebespielausgleich in RA und DE,
    • Einstellung der roten Display-Helligkeit in 2 Stufen,
    • Vertauschbarkeit der Richtungstasten um die Bewegung des Sterns an das verwendete Zubehör anzupassen (Zenitprisma...)
    • Routinen um das Einnorden der Montierung zu erleichtern: 2-Stern-Kalibrierung, Kalibrierung mittels Polarstern und Simulation der Scheinermethode,
    • Steuerung eines Fokussiermotors und Einstellung der Helligkeit eines beliebigen Fadenkreuzokulars,
    • Programmierung einer Sicherheitszone, in die das Fernrohr nicht fahren darf. Damit kann erreicht werden, daß der Fernrohrtubus nicht an die Säule stößt, wenn es z.B. mit einem Okularrevolver bestückt ist.

    Zum Lieferumfang der Montierung gehört auch die Software DigitalSkyVoice. Mit dieser Software kann die Montierung von einem PC mit der Maus aus oder per Sprache über ein Mikrofon ferngesteuert werden. Da die Montierung über 2 serielle Schnittstellen verfügt, kann diese Software beispielsweise parallel mit der Software The Sky verwendet werden. Die Montierung läßt sich mit jeder Software fernsteuern, die das Meade LX200-Protokoll verwendet.

    Die Software DigitalSkyVoice verfügt über folgenden Funktionen:

    • Kompletter Ersatz der Handsteuerbox (Funktionsumfang wie oben beschrieben),
    • Genaue Berechnung der Refraktion durch Eingabe von Temperatur und Luftdruck,
    • Anfahren von Objekten aus verschiedenen Katalogen (umfangreicher als in der Handbox),
    • Anfahren veränderlicher Sterne,
    • Information über die Sichtbarkeit der Sternbilder,
    • "Cool Objects" zeigt die interessantesten Objekte eines Sternbildes mit deren Eigennamen (z.B. Crab nebula) an,
    • Eine z.B. schon am Nachmittag erstellte Beobachtungstour kann abends automatisch abgefahren werden. Die Software kann auch ohne Montierung für Übungszwecke in einem Emulations-Mode gestartet werden.

    Abschließend bleibt zu sagen, daß die Software über so viele Funktionen verfügt, daß eine komplette Beschreibung den Rahmen dieses Berichts sprengen würde.

    © Siegfried Bergthal; Die Montierung 900 GTO von Astro Physics mit Zeiss AS 100/1000 Erfahrungen in der Praxis
    Zur Referenzzierung des Fernrohres (= Festlegung des Nullpunktes) reicht bei einer parallaktisch aufgestellten Montierung eine 1-Punkt-Kalibrierung. Man stellt einen bekannten Stern manuell ein, klemmt die Achsen und teilt dies der Steuerung mit. Nun kennt die Steuerung die exakte Position des Fernrohres. In der Anzeige erscheint ein Auswahlmenü. Jetzt kann automatisch zu verschiedenen Objekten geschwenkt werden. Werden die Achsen gelöst, um das Fernrohr manuell über einen weiten Weg von Hand zu bewegen, so gehen die Achspositionen verloren und man muß eine neue Referenzzierung durchführen. Die ist aber aufgrund der hohen Positioniergeschwindigkeit von 5°/s praktisch nicht nötig.

    Die Feinbewegung mit den 4 Richtungstasten ist sehr feinfühlig. Selbst bei 400-facher Vergrößerung ist die Bewegung der Sterne weich. Es sind keine ruckartigen Bewegungen festzustellen. Die Sterne bewegen sich exakt auf dem Fadenkreuz sowohl in RA als auch in DE. Ein Abweichen des Sternes von der gewünschten Bewegungsrichtung konnte nicht festgestellt werden. Mit den Feinbewegungstasten können Astroaufnahmen sehr genau nachgeführt werden.

    © Siegfried Bergthal; Die Montierung 900 GTO von Astro Physics mit 300 mm f/8 Ritchey-Chrétien-Teleksop (19 kg) Nachführgenauigkeit
    Die Genauigkeit der Nachführung wurde an Gamma CMi ermittelt. Da das Schneckenrad über 225 Zähne verfügt dauert eine Umdrehung der Schnecke knapp 7 Minuten. Mit einer Barlow-Linse und dem Micro-Guide-Okular (Vergrößerung:167-fach) der Firma Baader Planetarium wurde Gamma CMi 21 Minuten kontinuierlich beobachtet. Dies entspricht 3 Umdrehungen der Schnecke. Innerhalb dieses Zeitraums ist der Stern um max. 5'' ('' = Bogensekunden) von der Ausgangsposition abgewichen. Dies ist jedoch nicht nur auf den periodischen Fehler der Schnecke zurückzuführen, sondern der Summenfehler aus dem Periodenfehler der Schnecke, dem Teilungsfehler des Schneckenrades und dem Fehler des am Motor angeflanschten Untersetzungsgetriebes.
    Da die Summe der Fehler nicht periodisch ist, können sie mit PEC nicht korrigiert werden. Mit dem PEC kann nur der periodische Anteil ausgeglichen werden. Diese Aussage gilt für alle Montierungen, die über eine PEC-Funktion verfügen.
    Ein periodisches Schwingen (Periodischer Fehler) konnte auch bei späteren Beobachtungen nie exakt festgestellt werden. Dies ist ein gutes Zeichen und spricht für die ausgezeichnete mechanische Verarbeitung dieser Montierung.

    Positioniergenauigkeit
    Zur Ermittlung der Genauigkeit der automatischen Positionierung wurde Procyon (Alpha CMi) exakt auf die Mitte des Fadenkreuzes gebracht und dann zu Sirius (Alpha CMa) geschwenkt. Sirius stand in RA 0 (in Worten null) Bogensekunden westlich und in DE 60 Bogensekunden nördlich. Die Gesamtabweichung betrug damit 1 Bogenminute. Die Distanz der beiden Sterne beträgt 25° 42'. Anschließend wurde Sirius im Fadenkreuz zentriert und zu Regulus (Alpha Leo) geschwenkt. Dabei wurde das Fernohr um 180° umgeschwenkt. Bei einer Distanz der beiden Sterne von 57° 49' betrug die Abweichung von Regulus in RA 120'' und in DE 50''. Dies entspricht einer Gesamtabweichung von 130'', also rund 2 Bogenminuten. Dies war auch der größte Fehler, den ich mit dieser Montierung jemals gemessen habe. Bei einem Schwenk von Regulus zu Denebola (Beta Leo) stand Denebola in RA 10'' westlich und in DE 30'' nördlich. Der Gesamtfehler betrug also 31'' bei einer Stern-Distanz von 24° 37'. Beim Zurückschwenken von Denebola zu Regulus stand Regulus 5" neben dem Fadenkreuzmittelpunkt.

    Diese Abweichungen setzen sich aus folgenden Fehlern zusammen:
    - nicht exakt rechtwinklige Ausrichtung zwischen Rektaszensions- und Deklinationsachse,
    - nicht exakt rechtwinklige Ausrichtung zwischen Deklinationsachse und Fernrohrachse,
    - nicht exakte Polausrichtung der Montierung (dies ist auch gar nicht möglich [2]) und der
    - nur teilweise berücksichtigen Refraktion, die bei Objekten in geringer Höhe über dem Horizont beachtliche Werte annimmt [3].

    Hinweis: Die mechanische Fertigung der Montierung ist so präzise, daß sich ein Fehler in der Fernrohrausrichtung (Parallelität der Optischen Achse zur Montageplatte) störend bemerkbar macht. Die Steuerung hat eine Funktion, mit der dieser Fehler festgestellt (und behoben) werden kann. Dieser Fehler tritt z.B. auf, wenn die beiden Rohrschellen nicht den gleichen Abstand zur Befestigungsplatte haben oder bei einem Spiegelsystem die opt. Achse nicht parallel zum Tubus verläuft.

    Vor allem beim Einsatz von CCD-Kameras ist das Bildfeld sehr klein. Die heute gängigen Kameras z.B. mit dem CCD-Chip KF0400 (Pictor 416, ST-7) haben eine Fläche von 6.9 x 4.6 mm. Dies entspricht z. B. beim Celestron 8 mit zwei Metern Brennweite einem Gesichtsfeld von 11.9 x 7.9 Bogenminuten. Anhand der oben angeführten Messungen ist sichergestellt, daß beim automatischen Positionieren das Objekt auf jeden Fall auf dem Chip ist. Wobei man hier natürlich nicht das Fernrohr umschlagen läßt, sondern die Fokussierung der Kamera an einem nahe gelegenen Stern durchführt.

    © Siegfried Bergthal; Die Montierung 900 GTO von Astro Physics mit einem 150 mm / 3000 mm  Schiefspiegler Zusammenfassung
    Zur Zeit habe ich nur einen AS 100/1000-Refraktor auf der Montierung (ca. 10 kg). Hiermit ist die Belastungsgrenze der Montierung sicher noch lange nicht erreicht. Bei der Beobachtung von Sonnenprotuberanzen bleibt die Sonne auch bei mäßigem Wind exakt hinter dem Kegel. Mein früheres Ritchey-Crétien-Teleskop (300 mm Öffnung, f/8) mit einem Gewicht von 19 kg wurde von der Montierung ebenfalls noch solide getragen. Je nachdem welche Ansprüche man an eine Montierung stellt, dürfte man mit einem Celestron 14 (ca. 25 kg) aber langsam in den Grenzbereich der Belastung für diese Montierung kommen. Astro Physics gibt die maximale Belastung mit 34 kg an.

    Besonders gut gefällt mir die erstklassige solide mechanische Verarbeitung. Die Achsen laufen ohne (von mir festgestelltes) Spiel in den Lagern, was ein sehr feines pointieren der Sterne ermöglicht. Nachdem ich in den vergangenen Jahren doch mehrere Montierungen hatte, ist diese von der Verarbeitungsqualität, der Positioniergenauigkeit, der periodischen Fehler und der Laufruhe her, die mit Abstand beste Montierung. Auch beim automatischen Schwenken bleibt die Montierung im Gegensatz zu vielen anderen Montierungen einigermaßen leise [4], so daß man diesbezüglich sicher keine Probleme mit den Nachbarn zu befürchten hat.

    Natürlich gibt es auch ein paar Kritikpunkte:

    • Die LED-Anzeige verfügt nur über 2 Helligkeitsstufen und bei der Sonnenbeobachtung muß man unter einem Tuch verschwinden um die Anzeige ablesen zu können.
    • Die automatische Positionierung funktioniert nur bei exakt eingenordeter Montierung. Einen Alt-Azimut-Betrieb, wie z.B. mit dem Sky-Sensor, habe ich hier vermisst.
    • Das Einnorden mit der 2-Sterne-Kalibrierung funktioniert nur sehr eingeschränkt. Bei manchen Sternen führt die Software-Routine zu keiner Konvergenz. Auf meine Nachfrage bei Astro Physics wurde ich auf die nachfolgende Version, die im Jahr 2000 erscheinen sollte, verwiesen. Dann soll es auch möglich sein, Updates via Internet herunterzuladen.
    • Die Gegengewichtsstange wird am DE-Gehäuse befestigt und nicht an der DE-Welle. Sie dreht sich also nicht mit. Es ist somit nicht möglich z.B. eine kleine Flat-Field-Kamera als Gegengewicht zu verwenden.

    Insgesamt kann man hier von einer exzellent verarbeiteten und konstruktiv gelungenen Montierung sprechen. Hervorragend wird die Montierung, wenn die mir aufgefallenen Schwächen der Software eliminiert sind.
    Als einziger Wehrmutstropfen bleibt dann noch der Preis (und inzwischen wohl auch die Lieferzeit).

    Nähere Info´s können entweder direkt bei Astro Physics unter www.astro-physics.com oder bei der Generalvertretung Baader Planetarium GmbH angefordert werden. Für Rückfragen stehe ich jederzeit gerne zur Verfügung.

    E-Mail: Siegfried@Bergthal.de

    Literaturhinweise

    [1] Paech, Wolfgang: Die neue transportable CNC-400 Montierung von Astro Physics, SuW 34, 748 [10/1995].
    [2] Koch, Bernd: Handbuch für Sternfreunde, Sonderausgabe für den Astroshop 1995, Seite 188.
    [3] Koch, Bernd: Handbuch für Sternfreunde, Sonderausgabe für den Astroshop 1995, Seite 7.
    [4] Kammerer Andreas: Das 12"-LX200 von Meade, SuW 36, [11/1999].

    © Siegfried Bergthal 2001


    © Nils Kloth 2000 - 2008 Zurück zum Seitenanfang

    Letzte Änderung: 5. September 2001